Eine alte Bauernregel lautet: "Wer eine halbe Arbeit tadelt, ist ein Narr!" Ein halbfertiges Kunstwerk sieht oft komisch oder elend aus. Man muss mit dem Urteil warten, bis es vollendet ist. Ein Auto am Montageband wirkt eher wie ein Monster als ein glänzendes Schmuckstück. Aber wenn es dann fertig ist, wird es bewundert und gebraucht. Ein ärztlicher Eingriff verursacht zunächst einmal mehr Schmerzen und Unannehmlichkeiten, bringt oft Blut und Tränen mit sich, aber wenn er dann abgeschlossen ist, bedeutet er die Heilung. Viele Dinge, Werke oder Arbeiten wirken halbfertig eher abstoßend und chaotisch. Sie in diesem Zustand zu beurteilen wäre dumm. Nach der Vollendung der Dinge, Werke und Arbeiten wird unser Urteil ganz anders ausfallen. Sollte das auch für unser Erdenleben gelten, das uns oft so verworren und schwierig, so elend und abartig erscheint? Das Leben in der Zeit und auf Erden ist doch nur ein kleiner Teil des Ganzen, das Gott für uns geschaffen hat. Er hat das Leben als zeitliches und ewiges Leben gemacht. Er wird sein Werk mit dieser Welt und unserem Leben noch vollenden. Wer Gottes halbe Arbeit tadelt, ist ein Narr. Gott wird sein Schöpfungswerk im Sinne der Weltgeschichte und sein Erlösungswerk im Sinne der Heilsgeschichte noch vollenden. Gott hat gerade angefangen, und es wäre unrecht, jetzt schon urteilen zu wollen. Warten wir auf seine Vollendung und murren wir nicht vor der Zeit. Aber lassen wir uns auch für unser Lebenswerk noch die Zeit und Möglichkeit der Vollendung. Richten wir auch uns selbst und einander nicht auf halber Strecke. Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. 1.Johannes 3,2
Axel Kühner "Hoffen wir das Beste"
© 1997 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 9. Auflage 2016
Mit freundlicher Genehmigung des Verlage
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