Eine chinesische Legende erzählt von einer Frau, die über den Tod ihres Sohnes so bekümmert war, dass sie sich keinen Rat mehr wusste. So ging sie zu einem heiligen Mann und fragte ihn: Welche Gebete kennst du, um meinen Sohn wieder zum Leben zu erwecken?" Er sagte zu ihr: "Bringe mir ein Senfkorn aus einem Hause, das niemals Leid kennen gelernt hat. Damit werden wir den Kummer aus deinem Leben vertreiben!" Die Frau machte sich auf die Suche nach dem besonderen Senfkorn. Sie kam an ein prächtiges Haus, klopfte und brachte ihre Bitte vor: "Ich suche ein Haus, das niemals Leid erfahren hat, ist hier nicht der richtige Ort? Es ist sehr wichtig für mich!" Aber die Bewohner des schönsten Hauses erzählten all das Unglück, das sich gerade bei ihnen ereignet hatte. Die Frau dachte bei sich: "Wer kann diesen unglücklichen Menschen besser helfen als ich, der ich auch so tief in Not geraten bin!" Sie blieb und tröstete. Dann suchte sie weiter ein Haus ohne Leid. Aber wohin sie sich auch wandte, kleine Hütten, riesige Paläste, überall begegnete ihr Leid. Schließlich beschäftigte sie sich nur noch mit dem Leid anderer Leute, so dass sie ganz die Suche nach dem Senfkorn vergaß, ohne dass ihr bewusst wurde, dass sie auf diese Weise tatsächlich den Schmerz aus ihrem Leben verbannt hatte.
"Ihre Wege habe ich gesehen, aber ich will sie heilen und sie leiten und ihnen wieder Trost geben; und denen, die da Leid tragen, will ich Frucht der Lippen schaffen!" spricht Gott, der Herr!"
(Jesaja 57,18f)
Axel Kühner "Überlebensgeschichten für jeden Tag"
© 1991 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 21. Auflage 2018
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
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