"Ihr müsst lauter sprechen, ich habe die Krankheit des Nichthörenwollens!", lässt Shakespeare in einem seiner Stücke jemanden sagen. Viele Menschen leiden an dieser Krankheit. Was wird alles geredet und gesagt, aber wer will noch zuhören? Kinder sind Mutter-taub, Jugendliche sind Lehrer-taub, Gemeinden sind Prediger-taub, Bürger sind Politiker-taub, und Menschen sind Gott-taub. Ob sich diese Krankheit heilen lässt, indem wir immer lauter reden? Wird dadurch, dass wir schneller, mehr, lauter und heftiger aufeinander einreden, das Ohr nicht noch mehr abgestumpft und betäubt? Es ist eine gute pädagogische Einsicht, dass die Mutter, der Lehrer oder Redner immer leiser werden sollte, je lauter die Zuhörer sind. Nur so wird man die Menschen zum Stillwerden und Zuhören bewegen können. Manchmal denke ich, wir müssten wieder leise sprechen, wenig reden, bedachter predigen und sparsamer verkündigen. In einer Zeit der Inflation der Worte, der unzähligen Stimmen, der lauten Parolen und großen Reden sollten wir still werden, wenig reden und leise sprechen. Nur so werden wir wieder Hunger nach Worten, Sehnsucht nach Ansprache und Freude am Zuspruch finden. Nicht lauter sprechen, leiser werden, damit Worte wieder Gewicht erhalten, Predigt wieder Heilsgeschehen wird und wir von der Krankheit des Nichthörenwollens geheilt werden. Mein Knecht wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus. Jesaja 42,2f
Axel Kühner "Hoffen wir das Beste"
© 1997 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 9. Auflage 2016
Mit freundlicher Genehmigung des Verlage
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